Focus Bracketing und Focus Stacking

Zu den jüngsten Features moderner Kameragenerationen gehören Focus Bracketing und Focus Stacking. Einige Kameras bieten nur die Focus Bracketing Funktion. Die äußerst komplexen, innovativen Funktionen gestatten eine gezielte Beeinflussung – digitale Manipulation – der Schärfentiefe. Während sich das Focus Bracketing auf die automatische Erstellung von Serienaufnahmen mit unterschiedlichen Entfernungseinstellungen in vordefinierten Schritten beschränkt, übernimmt beim Focus Stacking die Kamera auch automatisch die anschließende Stapelverarbeitung der Einzelaufnahmen zu einem neuen Bild mit vordefinierter Schärfentiefe.

Gesetze der Physik setzen der Schärfentiefe innerhalb einer zweidimensionalen Fotografie Grenzen. Das heißt, der Raum, der vom Betrachter einer Fotografie zwischen Vorder- und Hintergrund als scharf wahrgenommen wird, ist abhängig vom Aufnahmesystem und den gewählten Einstellparametern. Bisher galten neben dem Abblenden, sprich neben dem Schließen der Blende, Tilt & Shift-Objektive als ein wirksames Werkzeug zur Manipulation der Schärfe sowie für die Korrektur der Perspektive wie beispielsweise zur Vermeidung stürzender Linien bei Architektur- oder Sachaufnahmen. Sie ermöglichen die sogenannte Schärfendehnung nach Scheimpflug. Die von dem österreichischen Offizier und Kartografen aufgestellte und nach ihm benannte Regel zur Schärfendehnung besagt, dass eine maximale Schärfe der Bildebene erreicht wird, wenn sich bei der Aufnahme die drei Ebenen Objektebene, Objektivhauptebene und Bildebene in einer Linie schneiden. Eine echte Erweiterung der Schärfentiefe ist aber auch damit nicht zu erreichen. Bei der Schärfemanipulation mit Shift-Objektiven und dem damit möglichen Verschwenken der Bild- bzw. Objektivebenen, bei Fachkameras mittels Kippen der vorderen und/oder hinteren Standarte ist nämlich kein echter Gewinn an Schärfentiefe zu erreichen. Deshalb sprechen Fachleute in diesem Fall von einer Schärfendehnung.

Abblenden bewirkt Beugungseffekte

Die durch das Schließen der Blende erreichte, echte Erweiterung der Schärfentiefe hat jedoch Grenzen. Der Gewinn an Schärfentiefe wird nämlich ab einer bestimmten Blende durch das Auftreten des Beugungseffektes wieder kompensiert. Nachteile der Schärfendehnung mithilfe von Shift-Objektiven bestehen darin, dass diese Spezialobjektive nicht nur verhältnismäßig kostspielig sind, sondern durch das Verschwenken auch eine veränderte Perspektive bewirken.

Wird die grundsätzlich durch Abblenden erreichbare Erweiterung der Schärfentiefe durch den bei stärkerem Abblenden auftretenden Effekt der Beugungsunschärfe zunichte gemacht, droht noch ein Qualitätsverlust, wenn wegen der kleinen Blende eine hohe ISO-Empfindlichkeit für die korrekte Belichtung gewählt werden muss.

Um sich vor möglicher Unschärfe durch Beugungseffekte zu schützen, wird gern die sogenannte förderliche oder auch optimale Blende verwendet – jene Blende also, die mit einem gegebenen Objektiv eine maximale Schärfenausdehnung ohne Beugungseffekt ermöglicht.

Zwar wird von vielen Fotografen eine gezielt eingeschränkte Schärfentiefe sehr häufig als bildgestalterisches Werkzeug genutzt, doch ebenso viele Motive – vor allem in der Makrofotografie, wo durch die großen Abbildungsmaßstäbe die Schärfenausdehnung besonders knapp ausfällt – verlangen nach einer von vorn bis hinten scharfen Aufnahme.

Bessere Bilder durch künstliche Intelligenz

Mit den Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung und vor allem mit dem Aufkommen der Multishot-Techniken, die mehrere Einzelaufnahmen mit unterschiedlichen Einstellungen zu einem neuen, perfekten Bild kombinieren, wurden immer wieder als unüberwindbar geltende, fotografische Grenzen gesprengt; teils mit Mitteln der Nachbearbeitung am PC aber zunehmend auch schon in den immer häufiger mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Kameras.

Schon seit einiger Zeit gibt es leistungsstarke Software, die aus mehreren Einzelaufnahmen vom gleichen Objekt mit unterschiedlicher Entfernungseinstellung digital ein neues – von vorn bis hinten scharfes – Foto zusammensetzen kann. Zunehmend statten auch einige führende Kamerahersteller ihre aktuellen Topmodelle mit einer Funktion zum Focus Bracketing aus. Diese Kameras können automatisch Bildserien mit vordefinierten Veränderungen der Entfernungseinstellung aufnehmen. Das vereinfacht nicht nur die Erstellung der Einzelaufnahmen, für die bisher die Veränderungen der Entfernungseinstellung manuell vorgenommen werden mussten, sondern sorgt auch dafür, dass die einzelnen Schritte präziser ausgeführt werden, so dass am Ende auch die Software genauere Ergebnisse liefern kann. Voraussetzung für das automatische Focus Bracketing sind wiederum Objektive, die eine automatische Steuerung vordefinierter Fokuseinstellungen durch die Kamera zulassen und deren Bildausschnitt auch bei veränderter Entfernungseinstellung konstant bleibt. Voraussetzungen für optimale Ergebnisse der späteren Stapelverarbeitung sind, abgesehen von den gezielten Veränderungen der Entfernungseinstellung, möglichst homogene Eigenschaften der Einzelbilder wie etwa ein identischer Bildausschnitt, die gleiche Belichtung und Beleuchtung, eine einheitliche Blende und ISO-Empfindlichkeit sowie ein konstanter Weißabgleich.

Automatische Belichtungsreihen für optimale Stapelverarbeitung

Manche Kameras der jüngsten Generation verarbeiten die automatisch im Bracketing Verfahren erstellten Einzelaufnahmen bereits in der Kamera zu einer neuen Fotografie mit einer von vorn bis hinten durchgehender Schärfe. Der große Vorteil dieser kamerainternen Focus-Stacking-Funktion liegt zudem darin, dass die Kameras auch die Einstellungen für die benötigten Einzelaufnahmen automatisch berechnen und vornehmen können. Das Ergebnis sind Fotos mit einer durchgängigen oder bewusst begrenzten Schärfentiefe.

Der große Mehrwert

Vor allem in Aufnahmesituationen, wo Fotografen mit einer sehr begrenzten Schärfentiefe konfrontiert sind, bringen diese neuartigen Kamerafunktionen eine wesentliche Erweiterung der kreativen Möglichkeiten. Ob Makrofotos mit großen Abbildungsmaßstäben, Sachaufnahmen, Bilder von Modellbauten, aber auch Landschafts- und Architekturaufnahmen können von dieser durch modernste Kamerasteuerungen und intelligente Algorithmen möglich gewordenen Aufnahmetechnik profitieren und Bilder von extremer Schärfe mit großen Blendenöffnungen und den dadurch möglichen optimalen ISO-Einstellungen ermöglichen.

Kurz erklärt:

Der englische Begriff „Bracketing“ bezeichnet die Technik automatischer Bildserien mit veränderten Einstellungen für beispielsweise Entfernung, Belichtung, ISO und Weißabgleich zu realisieren.

Stacking steht im Englischen für Stapel und bezeichnet beispielsweise die Stapelverarbeitung von Einzelaufnahmen zu einem neuen Bild mit bestimmten Eigenschaften der Einzelbilder.